Die Geschichte der Lou Rosenblatt (1911 bis 1918)
Loos verschaffte Kokoschka Portraitaufträge in der Schweiz, wohin ihn Lou begleitete. Ihr Einfluss auf seine Malerei ist unumstritten. Was man später „psychologische Portraits“ nannte, war hauptsächlich ihr zuzuschreiben. Als OK 1910 für ein Jahr nach Berlin ging, folgte ihm Lou zuerst, doch die Konkurrenzsituation wurde für beide unerträglich. OK empfand Lou neben sich als störend und irritierend in seinem Selbstverständnis von Authentizität
Als Lou ihn im Juni 1911 noch ein letztes Mal in Berlin besuchte, fand zur gleichen Zeit in Herwarth Waldens Galerie „Der Sturm“ eine Ausstellung mit OK, Klee, Kandinsky und Franz Marc statt. Es kam zum dramatischen Eklat mit OK und der definitiven Trennung. Lou sollte OK nie wiedesehen. Doch an diesem Abend in Berlin lernte sie den Münchner Expressionisten Franz Marc kennen. Der fast zehn Jahre ältere Maler war Mitglied der deutschen Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“. Franz Marc war schlank, groß, humorvoll und Kettenraucher. Ihre Beziehung war von Anfang an so selbstverständlich, dass Lou im Jänner 1912 von Wien nach München zog, um mit Marc zusammenzuleben.
Sie lernte den, ebenfalls in München lebenden Wassily Kandinsky kennen, dem sie ihr im Winter 1908/1909 entstandenes Manuskript „Über Geist und Kunst“ zeigte. 1912 erschien im Münchner Piper Verlag Kandinskys „Über das Geistige in der Kunst“. Inwieweit WK sich aus Lous Manuskript „bedient“ hatte, ist unklar. Das Manuskript ging verloren und alle Recherchen basieren auf Tagbuchnotizen Franz Marcs. Demzufolge kam es zwischen Lou Rosenblatt und Kandinsky zu schweren Zerwürfnissen
Die Liebe zu Franz Marc war trotzdem ungetrübt. Lous Bilder aus dieser Zeit zeigten allerdings schon früher als bei ihm Einflüsse von futuristischen Formen. Reine Töne, starke Kontraste und prismatische Formen bestimmten die Malerei. Eine Parisreise im Herbst 1912 und der Besuch Delaunays brachte auch für Marc die stilistische Wende. 1913 stellte Lou erstmals mit Gabriele Münter und August Macke in der Galerie Thannhauser in München aus. 1914 plante sie zusammen mit Marc, Klee und Heckel eine moderne Illustration der Bibel.
Bei Kriegsausbruch meldete sich Marc freiwillig zum Fronteinsatz. Auch er empfand Lous künstlerischen Werdegang und ihre beginnenden Erfolge als Malerin als problematisch für ihre gemeinsame Beziehung. Seine Reaktion war zwar nicht so emotional und definitiv wie bei OK, aber der Kriegsausbruch war für ihn eine Möglichkeit, sich zu distanzieren. Lou blieb weiterhin in München und die seltenen Besuche Marcs wurden zu traurigen und intensiven Momenten. Am 4. März 1916 wurde Marc bei einem Erkundungsritt vor Verdun von einem Granateinschlag tödlich getroffen. Lou geriet in eine schwere Krise. Dada wurde für sie, eingebettet im Zentrum des Berliner Dadaismus und den permanenten Diskussionen Hausmanns und Baader, zur Geisteshaltung, die sie ein Leben lang nicht mehr ablegte.
Nach der Organisation der Franz Marc Gedächtnisausstellung in der Münchner Neuen Sezession beschloss sie, München zu verlassen, und ging nach Berlin. Dort fand sie bald Anschluß an die Berliner Dada-Gruppe um Raoul Hausmann, Hannah Höch, Johannes Baader und John Heartfield. Mit der gleichaltrigen Hannah Höch verband sie eine tiefe Freundschaft. Gemeinsam entstanden viele Collagen und Bilder.