Die Akkuratesse
von Doris Knecht

Vielleicht hat man Franziska Maderthaner bei der Eröffnung einer Gruppen-Ausstellung in einer ambitionierten Land-Galerie in der Nähe ihres Sommerhauses kennengelernt, der sie ein Werk zur Verfügung gestellt hatte. Vielleicht wollte man sie schon lange treffen, nachdem man viel Interessantes und Lustiges über sie gehört hatte. Vielleicht ruckelte man also im Verlaufe dieser Vernissage mit einem Glas Weißwein in der Hand so allmählich in ihre Richtung und begann, angekommen, einen Smalltalk. Es könnte sein, dass man nicht so gut ist in Smalltalk, eventuell sogar überaus schlecht. Man würde also vielleicht verlegen lächelnd irgendeinen Blödsinn gesagt haben, zum Beispiel, ob sie hier noch öfter ausstellen werde. Und Franziska Maderthaner würde einen anstrahlen und sagen: Nichts für ungut, aber ich spiele eigentlich in einer anderen Liga.

Die meisten anderen Frauen hätten an dieser Stelle irgendwas Höfliches gesagt, irgendein zustimmendes Blabla. Franziska Maderthaner nicht. Sie ist nicht auf der Welt, um sich Konventionen zu unterwerfen oder um jemandem recht zu geben, der’s nicht hat. Sie ist eine No-bullshit-Person, und zwar auf eine gänzlich unaggressive Weise: ganz freundlich, ganz warm. Sie hat ein großes Lachen. Aber Franziska Maderthaner weiß auch, was sie kann und warum sie es kann. Sie weiß, dass sie auf ihrem Gebiet einzigartig ist und eine der Besten, und sie weiß, dass sie es ist, weil sie seit vielen Jahren täglich viele Stunden an ihren Bildern malt, weil sie ihr Talent unermüdlich perfektioniert. Welcher normale Mensch würde sich eine solche Leistung aus irgendeiner blöden Manierlichkeit, aus einem egalisierenden Reflex heraus kleinreden und verniedlichen lassen? Eben. Franziska Maderthaner auch nicht.

Und das machte sie mir auf Anhieb sympathisch. So macht man das, genau so. Und vielleicht sind ihre Bilder auch deswegen so unglaublich kraftvoll.

Zwischenzeitlich weiß ich noch zwei oder drei Dinge mehr über sie: Sie ist pünktlich, zum Beispiel wenn man sagt, um sieben geht’s los, dann ist sie um sieben da, mit einer Flasche Wein und mit einem schon in Stücke geschnittenen, selbst gebackenen Kuchen auf einem eigens dafür zurechtgeschnitzten Karton: Praktisch ist sie nämlich auch. Ihre Garderobe ist so bunt wie ihre Bilder. Sie hat fast immer gute Laune, und wenn nicht, bleibt sie für sich. Sie ist wissbegierig und zeigt einem mit Lust Dinge, Gegenden, Orte. Maderthaners Haus ist ordentlich und ihr Garten, sagen wir’s ehrlich, nicht der Rede wert: Denn nichts soll sie vom Malen ablenken, nichts in ihrem Leben darf so wichtig werden, dass dadurch das Malen zu kurz käme.

Maderthaner ordnet dem Malen alles andere unter, darauf richtet sie ihren Fokus, nichts ist für sie wichtiger. Sie braucht zum Malen höchstens einen Ausgleich: lange Märsche und ausgiebige Radtouren über die Felder und die bewaldeten Hügel der Gegend, in der sie wohnt (ihre Kondition ist beneidenswert), Gespräche mit ihrem Lebensgefährten Michael, Kochen für ihre Freunde, Reisen mit viel Kunst. Was sie nicht gut kann: herumsitzen, gar nichts tun. Und sie ist nicht ganz so cool, wie sie sich gibt, was man merkt, wenn man zu ihrem Geburtstag eingeladen ist, der im Hof ihres Waldviertler Landhauses mit Champagner und Fingerfood beginnt und wo sie überraschend nervös herumflattert, passt eh alles? Doch als der Geburtstag sich zur Sonnwendfeier der örtlichen Feuerwehr verlagert, ist sie dort wunderbar daheim: Hier war sie schon in den siebziger Jahren mit ihren Eltern auf Sommerfrische, hier kennt man die Franzi, seit sie ein kleines Kind ist, hier plaudert sie mit den Leuten, trinkt Spritzer aus dem Becher, isst Würstel und Pommes vom Pappteller und tanzt am Feuer zu Blondie. The tide is high but I’m holding on. Ja.

Am Tag darauf wird sie trotzdem malen, von früh bis spät. Wenn man Maderthaner eine Eigenschaft zuordnen müsste: Leidenschaft. Allerdings ist die Maderthaner-Leidenschaft keine irre Leidenschaft, nicht so eine Sich-selbst-ein-Ohr-abschneiden-Leidenschaft, wie man sie mit Künstlern gerne konnotiert. Ihre Leidenschaft hat nichts Wahnsinniges, Selbstzerstörerisches. Ihre Leidenschaft ist sportlich und fast forward, es ist eine quirlige, offene, neugierige Leidenschaft, die sich mit Akkuratesse und extremem Fleiß verbindet, die sich nicht sich selbst ausliefert, sondern immer auf ein Ergebnis abzielt: das perfekte Bild. Maderthaner lässt beim Malen alles ganz raus, aber sie kann es jederzeit auch wieder einfangen. Sie kann es, weil es ihr gehört. Weil sie es beherrscht. Handwerk, Kunst, Leben: alles ihrs, alles bestens.

 

Doris Knecht ist Schriftstellerin („Gruber geht“, „Besser“, „Wald“, „Alles über Beziehungen“) und Kolumnistin. Sie lebt mit ihrer Familie und Freunden in Wien und im Waldviertel.